Hallöchen!
Ich habe es in einigen Posts ja bereits erwähnt, dass ich unter Anfällen leide. Heute möchte ich euch ein wenig mehr über diese „mysteriösen“ Anfälle und über mein Leben mit dieser Krankheit erzählen. Und euch Mut machen.
Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich diesen Post schreiben soll, denn das Thema ist ein wenig, sehr viel schwieriger als wahrscheinlich alle anderen Texte dieses Blogs. Aber es ist mir ein Anliegen, also tu ich es jetzt einfach. Sehr guter Zeitpunkt so etwas während des Frühstücks zu schreiben. :D
In meinem dritten Lebensjahr wurde bei mir die Diagnose gestellt: Epilepsie. Meine Eltern dachten zuerst ich würde unter Ticks leiden, doch mein Kinderarzt vermutete von Anfang an etwas anderes und überwies mich in die Uniklinik. In der Neurologie bekammen wir dann das Ergebnis der Untersuchungen.
Epilepsie. Ich weiß nicht genau, was dieses Wort bei Außenstehenden auslöst, da ich seit inzwischen 18 Jahren damit lebe, aber bei meinen Eltern löste es erstmal einen Schock aus. Verständlich, denke ich.
Meine Form der Epilepsie sind (Besser gesagt: Waren zunächst nur) „Absencen“. Absencen sind kurze Aussetzter. Am besten kann man sich diese Anfälle so vorstellen wie einen Cut in einem Film. Ich rede beispielsweise mit jemanden, – zack! – habe einen Anfall und bin nach einigen Sekunden wieder da. Es ist wie ein Filmschnitt. Logischerweise fehlt mir dann auch ein Stück des Gesprächs. Wegen solcher Anfälle darf ich natürlich auch kein Auto fahren, nicht alleine schwimmen gehen, kein Fahrrad fahren etc, denn diese Anfälle treten natürlich nicht nur während eines Gesprächs auf sondern ständig, den ganzen Tag über, völlig wahllos verteilt. Es gibt Tage mit mehr Anfällen und Tage mit wenigern. Ich kann meine Anfälle nicht vorhersehen, ich habe keine Voranhung vor einem dieser Anfälle. Es gibt Epileptiker mit solcher einer „Vorahnung“, einer Aura. Ich habe diese nicht.
Absencen sind eine Form der Epilepsie, die oft als „kindliche Epilepsie“ bezeichnet wird. Das heißt, dass sie mit Eintreten der Pupertät abklingt. Nun, Ausnahmen bestätigen die Regel. So auch bei mir. Ich habe alle verfügbaren Medikamente durch, Medikamente kombiniert, sämtliche, alle Therapien ausprobiert bis hin zum Tragen eines VNS, eines Vagus-Nerv-Stimulators. Ein Vagus-Nerv-Stimulator ist ein Schrittmacher, der mit dem Vagus-Nerv verbunden ist und diesen mit kleinen Stromimpulsen regelmäßig stimuliert. Diesen Schrittmacher trage ich auch immer noch (Nur leider ist die Batterie seit kurzem leer.). Momentan nehme ich drei Medikamente viermal am Tag. Zusammengerechnet mit meinem Notfallmedikament sind es vier Medikamente.
Vor einigen Jahren geschah dann der Supergau. Ich erlitt meinen ersten Grand Mal Anfall. Darauf folgten weitere. Bis heute.
Grand Mal Anfälle sind wohl die Form der Epilepsie, die die meisten kennen und an die denke ich die meisten Menschen denken wenn sie das Wort Epilepsie hören. Der Kranke krampft, zuckt, fällt zu Boden und ist bewusstlos.
Für mich, als Betroffenen, ist so ein Anfall unfassbar anstrengend und dennoch sind sie inzwischen so „normal“ für mich geworden, dass wir oft nicht einmal mehr Notärzte rufen, wenn ich einen haben oder die Sanitäter mich nicht mit ins Krankenhaus nehmen, da dort niemand etwas ausrichten kann. Was auch? Es gibt nichts, dass mir hilft.
Momentan wache ich jeden zweiten Morgen mit Absence-Staten auf, das heißt vielen kleinen Absencen hintereinander, die sich nur durch schwere Notfall-Medikamente, Benzodiazipine, wie etwa Diazepam unterbrechen lassen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Ganze auf einen Grand Mal hinausläuft.
Das ist meine Krankheitsgeschichte. Kurz zusammengefasst.
Aber darum soll es nicht gehen. Epilepsie ist eine Scheiß-Krankheit, natürlich und mir ist bewusst, dass es Epileptiker gibt, die es vielleicht noch schlimmer getroffen hat, aber dennoch möchte ich allen, die sich angesprochen fühlen Mut machen:
Man kann auch als Epileptiker ein Leben führen. Ein normales Leben. Ein glückliches Leben.
Trotz meiner unzähligen Anfälle jeden Tag war ich auf dem Gymnasium, reite drei Pferde, habe einen Job im Einzelhandel (Ich hätte nie gedacht, dass es funktionieren würde, dass ich mit meinen Anfällen an der Kasse sitze und damit einen Job machen kann, der mir wirklich Spaß bringt.), Freunde… Ein Leben. Und ich mag mein Leben. Sehr sogar.
Ja, ich bin happy. Sehr. Und nein, Epileptiker sollten sich nicht verkriechen. Ich lese so oft davon. So, so oft. Und jedesmal frage ich mich: „Warum? Warum sollten wir das tun? Wir sind krank, ja. Aber was können wir dafür? Ich hab nicht „Hier!“ geschrien und mir die Krankheit ausgesucht. Ich bin nicht anders als jeder andere auch, außer der Tatsache, dass ich unter dieser Erkrankung leide.
Mir fehlen vielleicht jeden Tag ein paar Sekunden der 24 Stunden, die uns zur Verfügung stehen. Ja und? Das mache ich wieder wett – dadurch dass ich lebe. So wie ich es will. Klar wär’s manchmal praktisch Auto fahren zu dürfen, aber jeder Gang macht schlank! :D
Ich bin immer offen mit meiner Epilepsie umgegangen, von Kindesbeinen an. Ich kenne es gar nicht anders. Und ich bin immer gut damit gefahren. Natürlich trifft man auf Menschen, die erstmal vorsichtig sind, aber wer wäre das nicht? Egal bei welcher Krankheit. Das ist absolut verständlich.
Also: Lebt. Auch mit Epilepsie. Und versteckt euch nicht.
Liebe Grüße
Nessie